Predigt zur Einführung in Niederhofen, 26.3.2017

Predigt mit Johannes 13,1-38

Text der Württembergischen Continua Reihe am Sonntag Lätare, gepredigt in Niederhofen am 26.3.2017

 

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,

 

in diesem Jahr wird bei uns in Württemberg in der Passionszeit nicht über die sonst üblichen Predigttexte gepredigt. Immer mal wieder nach einer bestimmten Ordnung soll in unseren Kirchen in der Passionszeit ein zusammenhängender Text entweder aus Matthäus oder aus Johannes gepredigt werden. In diesem Jahr ist Johannes dran.

Ich lese den Predigttext für den heutigen Sonntag, Johannes 13,1-38.

 

Liebe Gemeinde,

ich habe mich gleich gefreut, als ich las, dass dieser Text heute Predigttext ist. Natürlich hätte ich einen anderen Predigttext wählen können zu meiner Einführung und Begrüßung heute als Pfarrer auch von Niederhofen. Aber es gibt kein Bibelwort, das mir in den Vorüberlegungen zu diesem Tag heute so nahe gekommen wäre. Das war damals, als ich nach Stetten kam anders. Da saßen meine Frau, meine Schwiegermutter und ich nach der ersten Nacht im neuen Pfarrhaus und lasen in der Losung: „Siehe ich bin mit dir und will dich behüten, wo du auch hinziehst.“ Dieses Versprechen, das Gott eigentlich Jakob gegeben hatte für seine Flucht vor Esau, das hat uns damals berührt, weil wir ja gerade am Hinziehen waren. Es ist toll Gottes Zusage und Verheißung so direkt in eine Situation hineingesprochen zu bekommen. Und was wir damals für unseren Neuanfang in Stetten gehört und geglaubt haben, das schwingt auch noch mit auch für den Neuanfang hier mit meinem Dienst für Niederhofen, keine Frage. Was wir damals auf unser Leben in Stetten bezogen haben, das bezieht sich jetzt selbstverständlich auch auf das Leben auch in Niederhofen.

Doch ich ziehe jetzt nicht hierher und ins Pfarrhaus ein und deshalb wäre es unredlich, über den Text von damals auch heute zu predigen, obwohl es mir leichter gefallen wäre, die alte Predigt herauszuholen und auf die neue Situation nur umzuschreiben.

Ich habe mich trotzdem gefreut, als ich gelesen habe, dass dieser Text der Fußwaschung heute dran ist. Die Fußwaschung und ihre Thematik öffnen im Johannesevangelium die Tür zum Passionsgeschehen und zu uns. Jetzt erkennt Jesus, dass seine Stunde gekommen ist. Das war so nach dem Einzug in Jerusalem noch nicht der Fall. Jetzt aber ist es soweit, als er mit seinen Jüngern zum Abendmahl zusammen sitzt. Das ist die Tür zum Passionsgeschehen.

 

Aber die Fußwaschung öffnet auch die Tür zu uns. In diesem und in den nächsten Kapiteln gibt der Evangelist Johannes uns weiter, was Jesus seinen Jüngern gesagt hat, um sie für die Zeit nach seinem Tod und seiner Auferstehung fit zu machen. Sie haben sicher nicht vieles verstanden, von dem, was Jesus ihnen sagte. Aber sie haben es sich gemerkt. Und nach dem Tod und der Auferstehung Jesu, nach Himmelfahrt und Pfingsten waren diese Worte in den sogenannten Abschiedsreden eine ihrer Quellen, aus der sie Orientierung und Kraft schöpfen konnten. Solche Worte wie: „Ich bin der Weg die Wahrheit und das Leben“ oder „Ich bin der Wienstock ihr seid die Reben“, sprechen auch uns heute noch an. Das, was Jesus über den Heiligen Geist sagt, der der Tröster genannt wird, das ist Wegweisung für alle Generationen von Christinnen und Christen, die ja in derselben Situation sind, wie die, für die Jesus spricht: Er, der Herr, ist gestorben, auferstanden und in den Himmel gefahren. Hier in dieser unserer Welt leben wir nun als seine Jüngerinnen und Jünger unseren Glauben, ohne Jesus sichtbar unter uns zu haben. Wir sind erlöst und befreit durch das, was Jesus am Kreuz von Golgatha für uns vollbracht hat. Aber wir brauchen nach wie vor seine Wegweisung und seine Kraft. Die gibt er uns in seinem Wort, durch sein Tun am Kreuz von Golgatha und in seinem Geist, den er uns gesandt hat und der Jesu irdisches Wirken weiterführen wird.

Ich selbst habe als junger Theologiestudent in einem Bibelkreis bei Campus für Christus in Tübingen mit anderen diese Abschnitte aus dem Johannesevangelium gelesen und muss sagen, dass mich wohl kein anderer Abschnitt aus der Bibel in meinem Glauben so geprägt hat, wie diese Abschiedsreden Jesu.

Die Fußwaschung und das Gespräch Jesu mit seinen Jüngern darüber öffnen also die Tür zu Worten und einem Geschehen, das uns prägen und leiten will.

Daher war das für mich keine Frage, diesen Text ganz bewusst auch heute zu predigen. Meine Hoffnung ist die, dass er uns auch die Tür öffnet, getrost und mit der Zuversicht des Heiligen Geistes in die Veränderungen zu gehen, die das gemeinsame Pfarramt für Nieder-hofen und Stetten mit sich bringt.

 

Unser erster Blick, der durch die Tür in den Abendmahlssaal fällt, sieht Jesus als Diener am Boden knien.

 

Es ist ein Geschehen, das alle Anwesenden überrascht. Die Füße bekommt man am Anfang, vor einem Mahl gewaschen oder gar nicht. Jesus unterbricht die festliche Feier und wäscht ihnen mitten drin die Füße. Dazuhin ist das Arbeit für einen Sklaven im Haus, das ist das niederste was es gibt, den Gästen des Hausherrn die Füße zu waschen, die schmutzig sind vom Staub der Straßen und Wege.

Jesus erniedrigt sich selbst, als er seinen Jüngern die Füße wäscht. Er, der Meister und Herr. Er, der Sohn Gottes. Er, dem alle Macht gegeben ist im Himmel und auf Erden. Er, dessen Platz eigentlich im Himmel bei seinem Vater ist.

Diese Fußwaschung ist ein Zeichen für die Haltung, in der Jesus damals und für alle Zeiten hier in unserer Welt wirkte und weiter wirkt: Er geht für uns Menschen und mit uns Menschen in die tiefsten Tiefen unseres Lebens. Er ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er selbst zum Diener wird - für uns – bis zum Äußersten.

Wissen wir, was er uns getan hat? Wir wissen es besser als die Jünger damals beim Abendmahl. Wir wissen, dass er am Kreuz gestorben ist, dass er auferstanden ist und in den Himmel aufgefahren ist, dass er dort zur Rechten des Vaters sitzt und uns seinen Heiligen Geist gesandt hat, der in uns wohnt und in dem er unter uns gegenwärtig ist. Nach wie vor aber wirkt er als Diener unter uns, nicht als Sklaventreiber sondern in Sklavendiensten. Nicht als der, der vor allem von uns fordert, sondern als der, der uns vor allem dient.

Ich weiß, dass Viele denken, mit weniger Pfarrer ist weniger los in einer Kirchengemeinde. Ich weiß, dass viele denken, mit weniger Pfarrer gibt es noch mehr für die Ehrenamtlichen zu tun. Und es sind ja immer die, die eh schon genug zu tun haben, die dann noch mehr machen müssen. Auch ich mache mir meine Gedanken und einige davon waren ja auch in dem Zeitungsartikel zu lesen, der am Freitag in der Heilbronner Stimme war.

Aber das erste und das, was vor allem steht, ist das nicht. Das erste und das, was wir als ersten Blick sehen durch die Tür in die neue Situation hinein, ist nicht die Arbeit, sind nicht die Veränderungen, sondern ist Jesus unser Herr, wie er sich gürtet und schürzt, uns zu dienen. Und das nicht in erster Linie in Jubel, Trubel, Heiterkeit, sondern in den Tiefen unseres Menschseins, unseres Gemeindeseins und unseres Kircheseins. Und wenn man da in andere Kirchen unseres Landes schaut, vor allem nach Ostdeutschland, dann sehen wir auch, dass es noch viel tiefer gehen kann als bei uns.

Unser erster Blick, der durch die Tür in den Abendmahlssaal fällt, sieht Jesus als Diener am Boden knien.

 

Unser zweiter Blick, der durch die Tür in den Abendmahlssaal fällt, sieht einen ratlosen Petrus und ratlose Jünger.

Sie verstehen nicht, was da geschieht. Petrus tappt im Gespräch mit Jesus von einem Fettnäpfchen ins nächste wie ein Elefant im Porzellanladen.

Nimmermehr sollst du mir die Füße waschen!

Herr, nicht die Füße allein, sondern auch die Hände und das Haupt!

Herr, warum kann ich dir jetzt nicht folgen? Ich will mein Leben für dich lassen. Jesus antwortete ihm: Du willst dein Leben für mich lassen? Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Der Hahn wird nicht krähen, bis du mich dreimal verleugnet hast.

Demgegenüber erleben wir Jesus als den, der alles weiß und alles durchschaut.

Vor dem Passafest aber erkannte Jesus, dass seine Stunde gekommen war, dass er aus dieser Welt ginge zum Vater. Jesus aber wusste, dass ihm der Vater alles in seine Hände gegeben hatte er wusste, wer ihn verraten würde ich weiß, welche ich erwählt habe

Was braucht Petrus, was brauchen die Jünger in ihrer Ratlosigkeit?

Sie brauchen Geduld.

Jesus sagt zu Petrus: „Was ich tue, das verstehst du jetzt nicht; du wirst es aber hernach erfahren.“

Sie brauchen Vertrauen zu Jesus. „Ihr nennt mich Meister und Herr und sagt es mit Recht, denn ich bin's auch.“

Sie brauchen offene Augen und offene Ohren für das, was Jesus tut und was Jesus sagt. „Wenn ihr dies wisst – selig seid ihr, wenn ihr's tut.“

 

Liebe Gemeinde aus Niederhofenern, Stettenern und Gästen,

das will ich mir eins zu eins auf meine Fahnen schreiben.

Geduld – dass wir nicht herumtrampeln und im Nebel stochern, wie alle Veränderungen zu gestalten sind.

Vertrauen zu Jesus, dem Meister und Herrn der Kirche und der Gemeinde. Nicht wir sind es, die die Kirche und eine Gemeinde durch die Zeiten tragen. Wir arbeiten mit an dem Werk, das unser Herr und Meister tut. Die Priorität liegt bei ihm.

Und auch wir brauchen offene Augen und offene Ohren für das, was Jesus tut und was er uns sagen will.

Haben sie heute Morgen die Losung gelesen? „Es gibt Hoffnung auf Zukunft für dich. Spruch des HERRN.“, heißt es da. Ich habe es erst gelesen, als meine Predigt schon fast fertig war. Mir hat dieses Wort Mut gemacht. Und das Gebet dazu auch: Ich danke dir, Herr, für die Wunder, die du an Menschen tust. Du bringst meine festgefügten Vorstellungen ins Wanken. Verändere mich und lass mich auf deine Zukunft sehen.

Unser zweiter Blick, der durch die Tür in den Abendmahlssaal fällt, sieht einen ratlosen Petrus und ratlose Jünger. Aber er sieht auch Jesus, der alles weiß und alles durchschaut.

 

Unser dritter Blick, der durch die Tür in den Abendmahlssaal fällt, sieht einen Auftrag.

Denn ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr tut, wie ich euch getan habe. Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander lieb habt. Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.

 

In allem, was Jesus an den Jüngern tut, geht es um die Zurüstung für das Leben in dieser Welt. So sollen sie aus dem Beispiel Jesu lernen. Die Frage ist nur: Was sollen sie lernen?

Ich möchte das so beschreiben: Sie lernen, dass das, was Jesus an ihnen tut, kein Selbstzweck ist oder eine Wellness-Oase. Das, was Jesus an ihnen tut, soll sie stärken, trösten, beschenken, soll ihnen gut tun. Und die Füße gewaschen zu bekommen tut gut. Aber das alles hat auch ein Ziel. Und dieses Ziel heißt nicht, baut eine erfolgreiche Kirche, eine erfolgreiche tolle Gemeinde. Dieses Ziel heißt: Dient und liebt. Dieses Ziel heißt nicht, erhaltet eure Kirche und eure Gemeinde bis ans Ende der Welt. Dient und liebt – das hieß bei Jesus es geht in den Tod. Liebe die sich aufopfert, Dienst, der durch die Tiefe hingeht zur Herrlichkeit Gottes.

Das muss es bei uns nicht heißen, Gott seis gedankt. Aber dieser Blick auf den Auftrag will uns helfen, als Kirche und als Gemeinde nicht so sehr auf uns zu sehen. Die Hauptfrage einer neuen Struktur von Gemeinde und Pfarramt darf nicht die sein, wie wir unsere Gemeinden und Kirchen am besten erhalten. Sondern muss die sein: Wie können wir den Menschen um uns herum am besten dienen. Worin zeigt sich die Liebe untereinander am deutlichsten? Wie leben wir diese Liebe, die Jesus uns schenkt und die uns in Bewegung setzt hinzugehen zum Nächsten, der unsere Hilfe braucht. Unser dritter Blick, der durch die Tür in den Abendmahlssaal fällt, sieht einen Auftrag.

 

Unser vierter und letzter Blick wendet sich nun vom Abendmahlssaal ab und sieht auf das Kreuz.

In der tiefsten Tiefe menschlichen Leidens sieht er dort die Herrlichkeit Gottes.

 

Als Judas den Abendmahlssaal verlässt, sagt Jesus nicht: Jetzt verrät er mich, jetzt ist alles aus. Er sagt: Jetzt ist der Menschensohn verherrlicht, und Gott ist verherrlicht in ihm. 32 Ist Gott verherrlicht in ihm, so wird Gott ihn auch verherrlichen in sich und wird ihn bald verherrlichen.

 

Das ist das Ziel seines Lebens und seines Wirkens. Dieses Ziel sehen wir erreicht am Kreuz von Golgatha. Deshalb muss unser letzter Blick auf das Kreuz gehen. Ohne das sieht auch der Blick in den Abendmahlssaal nur einen Schimmer der Wahrheit. Der Vater ist verherrlicht im Sohn und der Sohn im Vater durch das Geschehen am Kreuz. Und wir finden darin unsere Erlösung und unser Heil.

Alles, was der Verherrlichung Gottes dient, wollen auch wir tun. Im Hören auf sein Wort. Im Dienen und Lieben, im Lobpreis und der Anbetung, auf dem Weg, den unsere Gemeinde geht. Er möge uns schenken, dass wir Salz und Licht sind in dieser Welt. Er möge uns schenken, dass wir Frucht schaffen in ihm für die Ewigkeit.

Die Fußwaschung Jesu zeigt deutlich, wohin unser Blick gehen sollte und was wir sehen, wenn wir auf ihn sehen. Und genau darum habe ich mich so gefreut, dass das heute unser Predigttext ist. Amen.

 

Pfarrer Martin Bulmann, Ev. Pfarramt Stetten a.H.-Niederhofen