Predigt zum Reformationsjubiläum, 31.10.2017

Predigt zum Reformationsjubiläum
gepredigt beim Reformationsgottesdienst für Niederhofen und Stetten in Stetten a.H. am 31.10.2017

Herzlichen Dank an das Kreateam aus Niederhofen für dieses Anspiel. Es hat uns in einer modernen Form die eine Frage vor Augen geführt, an der Martin Luther beinahe verzweifelt wäre. Ihre Antwort aber, die er gefunden hat, hat den Stein ins Rollen brachte, aus dem dann die Lawine der Reformation wurde.

 

Es ist die Frage: Wie bekomme ich einen gnädigen Gott. Es ist die Frage nach dem, wie Gott mich als Menschen sieht, aber auch natürlich die Frage, wie es am Ende meines Lebens aussieht: Wie komme ich in den Himmel?

Habe ich so viel Gutes vorzuweisen, dass es mir reicht und ich durch die Tür zum Himmel eingelassen werde? Habe ich so viel, um den Preis für den Eintritt zu bezahlen? Oder reicht es mir nicht? Die rechte Frau mit ihrer Tasche voller Verdienste und Auszeichnungen, mit deren Hilfe sie durch die Himmelstür kommen will, sie verkörpert genau das Denken Martin Luthers und des Mittelalters, das zu solchen Praktiken wie den Ablassbriefen führte. Wenn ich keine eigenen Verdienste habe, dann kann ich mir aus dem Schatz der Verdienste der Heiligen und der Verdienste Jesu Christi ein paar Verdienste hinzukaufen. Die Kirche in Person Bischof Albrechts von Mainz und Papst Leos X. bietet diese Vergebung der zeitlichen Sündenstrafen an.

 

Zu Luthers Zeiten war der Weg in den Himmel ja noch komplizierter. Da glaubten die Menschen, vor der Tür in den Himmel müsse man noch durchs Fegefeuer hindurch und dort die einfachen Sünden abbüßen. Also dann hätten sich diese beiden in unserem Anspiel nicht auf den Stühlen im Warteraum getroffen, sondern mitten im Feuer. Und je nachdem, wieviel Gutes eine im Leben getan hat, hätte sie früher aus dem Feuer dürfen oder sie hätte noch länger bleiben müssen.

 

Dabei ist der Preis schon bezahlt für den Eintritt in den Himmel. So sagte es im Anspiel nicht nur die Frau links, die im Anspiel Sabine hieß. So hat Martin Luther das entdeckt: Wir können uns den Eintritt gar nicht verdienen, nichts und wieder nichts, das wir tun können, kann uns den Eintritt verschaffen. Aber Jesus hat dafür bezahlt. In Jesus Christus schenkt Gott uns seine Gerechtigkeit. Diese Gerechtigkeit beurteilt nicht, was wir tun und was nicht. Diese Gerechtigkeit macht uns in Jesus Christus gerecht durch seinen Tod am Kreuz. Martin Luther war Professor der Theologie in Wittenberg, als er zu dieser Erkenntnis kam. Er hatte 1513-1515 die Psalmen ausgelegt, dann den Römerbrief, den Galaterbrief und den Hebräerbrief.

 

Einer der wichtigsten Texte für Martin Luther war Römer 1,16 + 17: "16 Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die glauben, die Juden zuerst und ebenso die Griechen. 17 Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben; wie geschrieben steht (Habakuk 2,4): "Der Gerechte wird aus Glauben leben."

Luther selber schreibt später dazu, 1 Jahr vor seinem Tod:

Endlich achtete ich in Tag und Nacht währendem Nachsinnen durch Gottes Erbarmen auf die Verbindung der Worte, nämlich -. »Die Gerechtigkeit Gottes wird in ihm offenbart, wie geschrieben steht [Hab 1,4], >Der Gerechte lebt aus dem Glauben<. « Da habe ich angefangen, die Gerechtigkeit Gottes so zu begreifen, dass der Gerechte durch sie als durch Gottes Geschenk lebt, nämlich aus Glauben; ich begriff, dass dies der Sinn ist: offenbart wird durch das Evangelium die Gerechtigkeit Gottes, nämlich die passive, durch die uns Gott, der Barmherzige, durch den Glauben rechtfertigt, wie geschrieben steht: »Der Gerechte lebt aus dem Glauben«.

Nun fühlte ich mich ganz und gar neugeboren und durch offene Pforten in das Paradies selbst eingetreten. Da zeigte sich mir sogleich die ganze Schrift von einer anderen Seite. Von daher durchlief ich die Schrift, wie ich sie im Gedächtnis hatte, und las auch in anderen Ausdrücken die gleiche Struktur [analogia], wie: >das Werk Gottes<, d.h. was Gott in uns wirkt, >die Kraft Gottes<, mit der er uns kräftig macht, >die Weisheit Gottes<, mit der er uns weise macht, >die Stärke Gottes<, >das Heil Gottes<, >die Herrlichkeit Gottes<. Nun, mit wieviel Hass ich früher das Wort >Gerechtigkeit Gottes< gehasst hatte, mit umso größerer Liebe pries ich dieses Wort als das für mich süßeste; so sehr war mir diese Paulusstelle wirklich die Pforte zum Paradies.

 

Wie hieß es in unserem Anspiel eben? Der Preis für den Eintritt durch die Himmelspforte ist schon bezahlt. Martin Luther fühlte sich so, als sei er direkt in das Paradies eingetreten.

Er entdeckte den ersten der reformatorischen Grundsätze, die die vier „Soli“ genannt werden, weil sie jeweils mit dem lateinischen Wort „solus“ beginnen. „Solus“ heißt allein: Allein die Gnade öffnet uns die Tür in den Himmel. Sola gratia – allein die Gnade.

 

Und so wird das für Martin Luther und die Reformation zur zentralen Botschaft gegen die Entwicklungen in der damaligen Kirche:

 

Sola gratia: Allein durch die Gnade Gottes werden wir errettet.

„Eure Rettung ist wirklich reine Gnade, und ihr empfangt sie allein durch den Glauben. Ihr selbst habt nichts dazu getan, sie ist Gottes Geschenk.“ (Eph 2,8 Gute Nachricht)

 

Solus Christus: Nur in Jesus Christus haben wir die Erlösung.

„Es gibt nur einen einzigen Gott und nur einen Einzigen, der zwischen Gott und den Menschen vermittelt und Frieden schafft. Das ist der Mensch Jesus Christus. Er hat sein Leben hingegeben, um uns alle aus der Gewalt des Bösen zu befreien. Diese Botschaft soll nun verkündet werden, denn die Zeit, die Gott festgelegt hat, ist gekommen.“ (1.Tim 2,5-6, Hoffnung für Alle)

 

Sola fide: Nur durch den Glauben empfangen wir das Heil.

Martin Luther sagte von diesem Motto: Es ist der Glaubensartikel mit dem die Kirche steht oder fällt. Auf diesem Artikel ruhte für ihn die ganze Rechtfertigungslehre.

„So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.“ (Römer 3,28 LU)

 

Sola scriptura. Allein die Heilige Schrift sagt uns das alles.

„Denn alles, was in der Schrift steht, ist von Gottes Geist eingegeben, und dementsprechend groß ist auch der Nutzen der Schrift: Sie unterrichtet in der Wahrheit, deckt Schuld auf, bringt auf den richtigen Weg und erzieht zu einem Leben nach Gottes Willen.“

(2. Timotheus 3,16 – 17, Neue Genfer Übesetzung)

 

Sola gratia - Solus Christus - Sola fide - Sola scriptura.

 

Mit dieser zentralen Botschaft der Bibel haben wir uns in unseren Gemeinden auf ganz unterschiedliche Art und Weise beschäftigt:

Bei den Stettener Bibeltagen, beim Glaubenskurs „vergnügt. erlöst. befreit“, auf der Niederhofener Gemeindefreizeit und an vielen anderen Ecken und Enden, vor allem auch in Predigten.

 

Wenn ich mir eine einzige Sache aussuchen dürfte, die nach dem Reformationsjubiläum bleiben sollte, dann wäre es das für mich: Dann sollte diese Botschaft des Evangeliums in unser aller Köpfe und Herzen bleiben. Gott schenkt uns in Jesus Christus die Erlösung. Gott macht uns in Jesus Christus gerecht. Die Tür zum Himmel steht offen, der Preis für den Eintritt ist bereits bezahlt.

Den so aktuell wie zur Zeit Luthers ist diese Botschaft heute noch. Viele Menschen versuchen ihr Leben mit ihren Stärken und Schwächen in den Griff zu bekommen. Vor allem aber Schuld, die sie auf sich geladen haben, wirkt oft wie ein Bremsklotz, der sie am Vorwärtskommen hindert. Wir brauchen diese befreiende Botschaft heute noch als Botschaft, die uns frei macht zu einem Leben mit Gott. Das Reformationsjubiläum dürfte nicht vorbeigehen, ohne dass alle Menschen, die von Luther gehört haben, das nicht auch für sich angenommen haben: Ich bin erlöst durch Gottes Gnade.

Das ist nicht nur das Thema der Reformation vor 500 Jahren, das ist das Thema der Bibel und das ist bis heute zentral für unseren Glauben. Wer das für sich noch nicht erkannt hat oder noch nicht angenommen hat, den lade ich ein, mit einem erfahrenen Christen ins Gespräch zu kommen und sich auf den Weg zu machen: Wie bekomme ich diese Erlösung für mich. Wie bekomme ich einen gnädigen Gott, wie öffnet sich auch für mich diese Tür zum Himmel.

 

Doch wenn wir Martin Luther gerecht werden wollten und wenn dieser Gottesdienst heute nicht nur aus Wiederholungen von Bibeltagen und Gemeindefreizeit bestehen sollte, dann müssten wir uns noch mit einem fünften Grundsatz, einem fünften „soli“ beschäftigen. Tatsächlich gibt es Aufzählungen da sind es nicht nur vier soli, sondern fünf.

 

Als Bibeltext dient dazu ein ganz kurzer Text, der nur aus vier Worten besteht. Er lautet: Geheiligt werde dein Name.

Sie werden den Zusammenhang kennen. In der Mitte der Bergpredigt antwortet Jesus auf den Wunsch seiner Jünger: Herr lehre uns beten. Und er zeigt ihnen wie man beten soll: So sollt ihr sagen: Vater unser im Himmel geheiligt werde dein Name.

 

Das wäre ein schönes Reformationsfestmotto gewesen: „Geheiligt werde dein Name“. Denn in allem, was reformatorisch geschah, ging es Martin Luther um dieses eine: Geheiligt werden dein Name, Gott. Dir allein alle Ehre oder wie es auf lateinisch heißt:

Soli deo gloria. Allein Gott zur Ehre.

 

In der Fastenzeit 1517, also noch vor der Veröffentlichung seiner 95 Thesen hat Luther über das „Vater unser“ gepredigt und es in seinen Vorlesungen seinen Studenten ausgelegt. Einer seiner Zuhörer hat daraufhin seinen Mitschrieb Anfang 1518 drucken lassen. Luther war darüber nicht ganz glücklich und hat sich selbst vorgenommen, diese Auslegungen zu veröffentlichen. Er wollte sie allerdings nochmals überarbeiten und behandelte sie in Abendandachten vor einfachen Leuten und Kindern. Doch war er 1518 schon so beschäftigt, dass er 5 Monate dafür brauchte. Erst im April 1519 hat Luther selbst diese kleine Schrift herausgebracht: „Auslegung deutsch des Vater unsers für die einfältigen Laien.“

 

Martin Luther beschäftigt sich zuerst mit der Anrede und teilt dann das Gebet in sieben Bitten auf. Die erste Bitte ist die Bitte: Geheiligt werde dein Name. Und er schriebt dazu in seinem Büchlein:

 

Das ist nun die Meinung und die Summe dieser Bitte: Ach! Lieber Vater, dein Name werde geheiligt in uns; das ist, ich bekenne, dass ich, leider! Deinen Namen oft verunehrt habe, und auch noch mit Hoffart durch meine eigene Ehre und Namen deinen Namen lästere. Darum, durch deine Gnade hilft mir, dass in mir mein Name abgehe, und ich zunichte werde, auf dass du allein und dein Name und Ehre in mir sei.

Darum ist dies das erste Gebet. Weil Gottes Ehre das Erste, Letzte, Höchste ist, dass wir ihm geben können, und er auch nichts mehr sucht und fordert. Wir können ihm auch sonst nichts geben; denn alle anderen Güter gibt er uns, die Ehre aber behält er sich allein: dass wir erkennen, sagen, singen, Leben, wirken und alles tun und Leiden bezeugen, dass Gottes alle Dinge sind; damit der Spruch bestehe aus dem Psalm 111,3. " Lob und Ehre ist sein Werk, und seine Gerechtigkeit bleibt ewiglich“.

 

Geheiligt werde dein Name. Und dann ganz am Ende dieser Schrift über das Vater unser steht darunter:

Soli deo honor et Gloria

Allein Gott sei Ehre und Ruhm.

 

Martin Luther ging es nicht um eine neue Kirche, es ging ihm nicht um eine Reformation. Er wollte nicht den Papst stürzen, keine Glaubenskriege heraufführen und er ist unter der Last der Entwicklungen in der Reformation manchmal schier zusammengebrochen. Seine Anfechtungen und Selbstzweifel sind geblieben, sie haben sich nicht in Luft aufgelöst. Aber ihm ging es nie um sich selbst, um seine Klugheit oder seine Ehre, er wollte in allem allein Gottes Ehre groß machen. Dass er dabei Fehler gemacht hat, ist menschlich und kann ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden.

 

Und so muss bei allem, wofür in diesen Tagen die Reformation gepriesen wird dieses eine mitgedacht werden: Es ging um Gottes Ehre. Das ist für Martin Luther immer das Erste, Letzte und Höchste gewesen. Egal, ob er dafür den Gottesdienst veränderte, Schulen einrichtete, Schriften schrieb, Lieder dichtete, die Bibel übersetzte, was auch immer. Es ging ihm um Gottes Ehre. Diese Ehre sollte den Menschen bekannt werden. Diese Ehre sollte die Menschenherzen erfüllen, dass jeder, der Luther hörte oder seine Schriften las, selbst Gott die Ehre geben könne, die ihm allein zukommt. Soli deo gloria – allein Gott die Ehre.

 

Leider kam es zur Spaltung der Kirche. Und so weist die katholische Kirche zu Beginn des Reformationsjubiläums mit Recht darauf hin, dass dieses Jubiläum eigentlich einen traurigen Anlass hat, die Spaltung der Kirche. Darüber freuen wir uns nicht.

 

Aber es hing eben daran, dass den Regierenden damals in Kirche und Staat die eigene Ehre oft größer war als Gottes Ehre. Und so schrieb Martin Luther seine 95 Thesen eben nicht nur über Gottes Wort in der Bibel, sondern auch gegen die Praxis der Kirche und damit gegen Personen wie den Bischof Albrecht oder auch in Kritik an mancher päpstlichen Praxis, die er aus seinem Besuch in Rom kannte.

Lesen Sie doch einmal die Thesen 1, 21, 36+37, 43, 94+95.

Vor 500 Jahren sind diese 95 Thesen entstanden und Anlass gewesen zu dem, was wir Reformation nennen. Dieser ganze Rummel um die 500 Jahre ist wertlos, wenn er nicht das eine wieder in unsere Herzen pflanzt und wenn nicht dieses eine bleibt: Soli deo gloria – allein Gott sei alle Ehre. Allein er macht uns gerecht und öffnet uns die Tür in den Himmel. Allein durch den Glauben an ihn werden wir erlöst und können ein Leben in seiner Kraft leben. In dieser Kraft können wir dann auch das Leben in unseren Familien, in unserem Dorf und in unserem Land gestalten.

Amen.

 

Copyright: Martin Bulmann, Pfarrer in Stetten am Heuchelberg und Niederhofen